16. DEGGENDORFER BAUSYMPOSIUM
NEUES AUS BAUTECHNIK,
BAURECHT UND BAUMANAGEMENT
3. Deggendorfer
Bausymposium Freitag 08. März 2002, 9.00 - 17.15 Uhr |
Pressebericht
Gelungene Symbiose aus Bautechnik, Baurecht und Baubetriebswirtschaft
Prof. Scherer : "Ostbayern längst nicht mehr verschlafen"
Von Günther Schalk
"Nicht Scheuklappen-Denken, sondern Offenheit für die interdisziplinäre
Baudisziplinen", lautete das Motto beim diesjährigen Deggendorfer
Bausymposium. Bereits zum dritten Mal spannte die Fachhochschule Deggendorf
einen gelungenen Bogen zwischen den Bereichen Bautechnik, Baurecht und
Baubetriebswirtschaft. Auf Initiative von Lehrbeauftragtem und Baurechtsanwalt
Dr. Klaus Englert und Prof. Dr.-Ing. Hans Bulicek von der FH Deggendorf tagten
rund 150 Techniker, Ingenieure, Juristen und Studenten.
Das Themenspektrum war ebenso breit gefächert und vielfältig wie die
Referentenliste. Prof. Dr. Reinhard Höpfl als Präsident der FH Deggendorf
konnte in den Räumen seiner Hochschule eine ganze Reihe hochkarätiger
Vertreter aus Technik und Recht begrüßen. BGH-Richter, Bautechniker und
Baurechtler aus ganz Deutschland waren angereist und boten zusammen mit
"hauseigenen" Dozenten der Fachhochschule Deggendorf ein
bemerkenswertes Programm.
Organisiert hatten das Symposium bereits zum dritten Mal zwei Dozenten der FH:
Dr. Klaus Englert, Lehrbeauftragter und einer der bundesweit führenden
Baurechtsanwälte, sowie der Deggendorfer Professor Dr.-Ing. Hans Bulicek.
Den Anfang im Vortragsreigen machte Prof. Friedrich Quack. Er war als Richter am
Bundesgerichtshof (BGH) tätig und ist dem Baurecht heute noch als Rechtsanwalt
verbunden. Er gab einen Überblick über die aktuelle Rechtssprechung des BGH
zur VOB. Diese "Verdingungsordnung für Bauleistungen" regelt bei
einem Großteil aller Bauverträge alle gegenseitigen Verpflichtungen von Ausführung,
Zahlung und Gewährleistung bis zu Folgen bei Behinderungen im Bauablauf.
Einen bemerkenswerten Entwurf für eine Geh- und Radwegbrücke über den
Main-Donau-Kanal in Forchheim stellte Prof. Dr.-Ing. Florian Neuner von der FH
Deggendorf vor. Durch einen Sondervorschlag hatte der Ingenieur die ursprüngliche
ausgeschriebene Planung nicht nur optisch deutlich aufgewertet, sondern im
Gegenzug auch die Baukosten schrumpfen lassen.
"Was tun, wenn auf dem Bau etwas schief gegangen ist ?" Diese Frage
beantwortete Birgit Ahlswede von der VHV-Versicherung aus Hannover aus Sicht der
Bauversicherungen. Welche Risiken eigentlich im Bauwesen versicherbar sind und
welche eben nicht, erklärte die Fachfrau - übrigens die erste Referentin in
der Geschichte des Bausymposiums - ebenso wie sie eine Antwort auf die Frage
gab, welchen Lauf die Dinge in der Versicherungspraxis nehmen, wenn erst einmal
ein Schaden auf der Baustelle eingetreten ist. Wie breit dieses Spektrum von
Schadensfällen ist, belegte Birgit Ahlswede mit eindrucksvollen Bildern von in
Wassermassen versunkenen Baggern, durch Wassereintritt überschwemmten Baugruben
und einem abgestürzten Autokran.
Der Münchener Rechtsanwalt Dr. Frank Niebuhr stellte im vollbesetzten Audimax
der FH Neuerungen im Vergaberecht vor, das durch die nationale Umsetzung von
EU-Recht deutlich umgestaltet wurde.
Zeit für angeregte Diskussionen und interdisziplinäres Kennenlernen gab das
gemeinsame Mittagessen in der Mensa. Da saßen nicht etwa Juristen und Techniker
in getrennten Grüppchen unter sich, sondern nützten in bunter Mischung die
Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Frisch gestärkt, sorgte einer der führenden
deutschen Baurechtler für den "geistigen Nachtisch":
Dr. Johann Kuffer ist Richter am BGH und dort im 7. Senat tätig, der sich
ausschließlich mit Bausachen höchstrichterlich beschäftigt. Kuffer, übrigens
gebürtiger Ingolstädter und dort jahrelang am Landgericht tätig gewesen,
versuchte eine Antwort auf die unter Baujuristen immer noch höchst umstrittene
Frage zu geben, welche Rechtsnatur die VOB/C hat. Diese Sammlung von Normungen
gibt allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauverträge vor und ist als
solches weder Gesetz noch amtlicher Erlass. Sie wird aber, so Kuffer aus der
BGH-Praxis, zunehmend als eine Art Allgemeine Geschäftsbedingungen eingestuft.
Ein neuartiges Bauverfahren
stellte Dr.-Ing. Wolfgang Schwarz vor. Er ist Leiter der bautechnischen
Abteilung bei Bauer Spezialtiefbau in Schrobenhausen, einem der weltweit führenden
Spezialtiefbauunternehmen.
Bei dem so genannten "Mixed-in-Place-Verfahren" werden beispielsweise
Verbauwände wesentlich kostengünstiger und umweltschonender als bisher
hergestellt. Mit einem Großdrehbohrgerät wird mit Hilfe von Zement und einer
Suspensionslösung der Baugrund im Boden, ohne ihn komplett ausheben zu müssen,
zu einer mörtelähnlichen festen und dichten Masse verarbeitet.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das Bürgerliche Gesetzbuch deutlich
umgestaltet worden. Das "Schuldrechtsmodernisierungsgesetz" wirkt sich
allerdings nicht nur auf den privaten Autokauf aus. Dass das neue Schuldrecht
auch für Bauverträge oft einschneidende Folgen hat, zeigte Prof. Dr. Josef
Scherer von der FH Deggendorf, früher Richter am Landgericht Landshut, in
seinem Referat auf.
Prof. Dr.-Ing. Hans Bulicek schließlich beschloss das Symposium mit einem Überblick
über neue bautechnische Bestimmungen für Brücken- und Ingenieurbauten in
Deutschland, mit denen das Land europaweit eine Vorreiterrolle einnehmen wird.
Seine Schlussworte richtete Bulicek allerdings in seiner Eigenschaft als
Mitorganisator an seine Zuhörer: "Sie haben heute nicht nur ihr
interdisziplinäres Denken unter Beweis gestellt", lobte er die
Symposiumsteilnehmer, "Sie haben auch die Region Deggendorf und Ostbayern
und nicht zuletzt die Fachhochschule hier unterstützt !".
Ostbayern, ergänzte sein Kollege Prof. Scherer, sei längst nicht mehr
verschlafen. "Wir sind, wie wir heute einmal mehr zeigen konnten, am Puls
der Zeit !"
Fotos